durch: Peter Custers
Der Fall C&A
Schmutzige Westen, dreckige Wäsche
Der folgende, aus dem Englischen übersetzte und stark gekürzte Beitrag diente der Vorbereitung des International Clean Clothes Forum, das am 3. Mai diesen Jahres in Brüssel stattfand. Veranstalter war die internationale Clean Clothes Campaign, eine Kampagne von verschiedenen Nicht-Regierungsorganisationen gegen ausbeuterische Arbeitsbedingungen in den Zuliefererklitschen der großen westlichen Textilkonzerne. Neben
C&A fokussierte sich die Veranstaltung in Brüssel auf die
Firmen Nike, Otto Versand, Adidas, H&M, Levi Strauss und Walt
Disney. Zentrum der bisherigen Aktivitäten der Kampagne in
Europa sind die Niederlande.
C&A ist ein Privatunternehmen, das 1841 von Clemens und August (C&A) Brenninkmeyer in den Niederlanden gegründet wurde. Das Unternehmen wird immer noch von der Brenninkmeyer-Familie
geleitet, die sorgfältig jede Form der Öffentlichkeit meidet
und Informationen über Unternehmensstrategie, Geschäftsverlauf oder Beschäftigung zurückhält. Die Anzahl der C&A-Filialen ist unbekannt, ebenso die genauen Beziehungen mit den Zulieferern, die genauen Länder, in denen die Firma aktiv ist,
Zahlen über direkte oder indirekte Beschäftigung sowie über
die Profitratenentwicklung des Unternehmens. So stellte die
Corporate Intelligence on Retailing (Unternehmensdaten im
Einzelhandel) 1997 fest: "C&A's Neigung zur Geheimhaltung
verhindert jede genaue Darstellung sowohl über den Umfang
seiner globalen Geschäftsbeziehungen und Verkäufe als auch
über seine europaweiten Operationen."(1) Das Unternehmen arbeitet im Rahmen einer unabhängigen Eigentümerstruktur und
einem unabhängigen Management für jede einzelne Einheit der
Textilproduktion. Mit anderen Worten: C&A greift größtenteils
auf die Mechanismen des Subcontracting zurück, um die Produktionsaufgaben auf externe Zulieferer auszulagern.
Aus Garn Gold spinnen
Allein in Europa gehören mehr als 600 Verkaufsstellen für Bekleidung zu C&A; weltweit sind es über 2.000. Es gibt Warenhäuser in den Benelux-Staaten, Großbritannien, Frankreich,
Spanien, Portugal, Italien, Österreich, der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, den USA, Brasilien und Japan. Nachforschungen haben ergeben, daß C&A ebenso in Liechtenstein, den Niederländischen Antillen und Kanada aktiv ist. 1995 soll C&A allein in den USA über 1.450 Warenhäuser für Textilien unter verschiedenen Namen kontrolliert haben. Nach
Informationen der Clean Clothes Campaign aus dem Jahre 1996 plant C&A weiterhin zwischen 1996 und dem Jahr 2000 die Eröffnung von 20 Filialen und die Errichtung eines Vertriebsnetzes in Argentinien.
In den Niederlanden ist C&A das größte Einzelhandelsunternehmen für Bekleidung mit 91 Warenhäusern und einem geschätzten Umsatz von 2 Mrd. Gulden (Daten aus 1996). C&A ist
außerdem an der formal unabhängigen Bekleidungskette MARCA
beteiligt, die in den Niederlanden 32 Filialen betreibt (zusätzlich zu einer ähnlichen Anzahl in Belgien). Darüberhinaus ist bekannt, daß C&A die 49 Boutiquen der Mode-Kette Foxy
kontrolliert.
Die Bundesrepublik ist das einzige Land, in dem C&A gesetzlich verpflichtet ist, Bilanzinformationen zu veröffentlichen. Hier rangiert das Unternehmen auf Platz drei der großen Einzelhandelskonzerne (hinter Karstadt und Metro) mit ca.
185 Warenhäusern und einem Umsatz von 8 Mrd. DM allein 1995.
Auch in Frankreich ist C&A ein namhaftes Handelshaus für Bekleidung. Nach Spekulationen der Wirtschaftspresse belief
sich dort der Umsatz im Jahre 1996 auf 6,3 bis 6,8 Mrd.
Franc. In Großbritannien betreibt C&A in den letzten Jahren
eine konstante Zahl von 120 Filialen mit einem geschätzten
Umsatz von 770 Mio. Pfund für 1995/96. Seit März 1996 wird
der Einkauf für alle europäischen Filialen und Niederlassungen von einer einzigen Einkaufsorganisation betrieben, der
European Buying Service Company (EBSCO). Im Jahre 1990 ist
der Gesamtumsatz von C&A auf 10 Mrd. Gulden bzw. über 5 Mrd.
US-Dollar geschätzt worden.
Bisher zielte die Geschäftspolitik von C&A auf billigere
und Massensegmente des Marktes. In den letzten Jahren jedoch
hat das Unternehmen zunehmend auch die mittleren Marktsegmente bedient. 1996 haben C&A-Warenhäuser 16 eigene Markenlabel
für spezielle KonsumentInnengruppen vertrieben (darunter
Avanti, Rodeo, Clockhouse, Baby-Club). Jede Marke erhält in
den Häusern spezielle eigene Verkaufsorte. C&A hat u.a. Einkaufsfilialen in Singapur, Hongkong und Indien. Das Unternehmen behauptet allerdings, die meisten Aufträge über Zulieferer in Europa abzuwickeln: Nach einer eigenen C&A-Unternehmenspräsentation in London aus dem Jahre 1997 stammen 65% der
Waren aus Europa, 25% aus Südostasien und 10% aus anderen Regionen.(2)
Selbstbindungsklauseln bei C&A
Nach eigenen Angaben agiert das Unternehmen seit 1991 nach
einem eigenen "Verhaltenskodex für die Beschaffung von Waren". Dieser Kodex wurde 1996 überarbeitet, als C&A SOCAM
einschaltete, eine angeblich unabhängige Kontrollinstitution
mit Sitz in Brüssel. Seitdem ist der Verhaltenskodex von C&A
in etlichen europäischen Ländern Gegenstand erheblicher öffentlicher Debatten zwischen dem Unternehmen und Gruppen der Clean Clothes Campaign.
C&A behauptet, seine Einkaufspolitik mit der überarbeitung des Kodexes sowie mit der Einschaltung von SOCAM grundlegend neu strukturiert zu haben. C&A-Vertreter Chris Williams sagte auf einer Konferenz in London 1997, die Inspektionsteams von SOCAM würden über 1.000 unangekündigte Kontrollbesuche im Jahr bei C&A-Zulieferern und Subcontractern
machen. Wo Zulieferer sich nicht an den C&A-Kodex hielten,
würden die Geschäftsbeziehungen entweder eingestellt oder
Warnungen ausgesprochen.(3) Dennoch: Obwohl der Kodex eine
Reihe grundlegender Kriterien abdeckt - wie z.B. Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Löhne, Gesundheit und Sicherheit der ArbeiterInnen -, wird er dennoch als zu vage und zu lückenhaft
kritisiert. Die fehlende Unabhängigkeit des C&A-eigenen Kontrollsystems ist eine weitere fundamentale Schwäche der augenblicklichen Verfahrensweisen bei C&A (s.u.).
In den meisten Punkten ist der bestehende Verhaltenskodex
schwammig. Während der Kodex z.B. die "Ausbeutung" von Kinderarbeit verbietet, definiert das Unternehmen nicht deutlich, was "Kinderarbeit" ist. So wird z.B. keine Altersgrenze
genannt. In Bezug auf die Löhne verlangt der Kodex, daß diese
"vollständig den örtlichen Standards entsprechen" und im
"Einklang mit den örtlichen Gesetzen" stehen müssen. Da in
vielen Ländern die Mindestlöhne unterhalb des Existenzminimums liegen, dienen diese Formulierungen nicht dazu, ArbeiterInnen einen Lohn zu sichern, mit dem zumindest die grundlegenden Bedürfnisse abgedeckt werden können.
Ein zweiter Kritikpunkt bezieht sich darauf, daß in dem
Kodex die grundlegenden Menschen- und Bürgerrechte der TextilarbeiterInnen nicht definiert werden. Der wichtigste Punkt
ist das Recht der ArbeiterInnen auf Mitgliedschaft in einer
Gewerkschaft ihrer Wahl ohne die Angst, für gewerkschaftliche
Aktivitäten bestraft zu werden. C&A hat zwar überlegungen angedeutet, dieses Recht in einen zukünftigen (nochmals überarbeiteten) Kodex aufzunehmen, dennoch ist das Fehlen des demokratischen Rechts auf Organisationsfreiheit für ArbeiterInnen
ein entscheidendes Manko. Ein anderes wichtiges Defizit betrifft die Arbeitsstunden: Im existierenden C&A-Kodex gibt es keinerlei Bestimmungen über die Länge der Arbeitszeit. Der
Kodex formuliert auch keine Formen sozialer Sicherungssysteme. Die Mehrzahl der TextilarbeiterInnen sind Frauen. Die Bezahlung von Ausfallzeiten wegen Schwangerschaft wäre z.B.
eine wichtige Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die in
diesem Bereich dringend angestrebt werden muß.
Drittens kritisiert die Clean Clothes Campaign die Kontrollmechanismen von C&A. SOCAM ist eher ein internes Kontrollsystem als eine externe überwachungsstelle. Da kein einziger SOCAM-Bericht Außenstehenden zugänglich ist, gibt es
keine Möglichkeit für KonsumentInnenorganisationen und andere, die Behauptungen von C&A über Anzahl, Methode und Ergebnisse der von SOCAM durchgeführten Inspektionen zu überprüfen. Die von SOCAM zusammengestellten Informationen sind nur
C&A zugänglich. Wie die meisten anderen Einzelhandelsketten
auch, die einen eigenen Verhaltenskodex anwenden, hat es C&A
nicht geschafft, ein wirklich unabhängiges überwachungssystem für seinen Kodex zu entwickeln und Gewerkschaften, Nicht-Regierungsorganisationen und andere gesellschaftliche Akteure in diesen Kontrollprozeß einzubeziehen. Ohne
ein wirklich unabhängiges überwachungsverfahren können grundlegende Verbesserungen der Arbeitsbedingungen im Textilsektor
nicht erreicht werden.
C&A untergräbt Organisierungsfreiheit
Eine der zentralen Forderungen der Clean Clothes Campaign
seit ihrer Gründung ist das Recht der freien und ungehinderten Organisierung der ArbeiterInnen der Textilhandelsketten
wie auch der ArbeiterInnen ihrer Zulieferer. Die Forderung
wurde in der Fair Trade Charter festgehalten und ist seitdem
ein Hauptthema bei Debatten und Verhandlungen zwischen Kampagnengruppen und den Handelsketten. 1996, zu Beginn der Kampagne in Europa, wurde ein Tribunal in Amsterdam organisiert,
dessen Jury eindringlich dafür plädierte, diese Forderung innerhalb der verschiedenen Forderungen zur Verbesserung der
Rechte der TextilarbeiterInnen herauszuheben. Auf der anderen
Seite haben die multinationalen Einzelhandelsunternehmen verdächtig langsam auf die Forderung nach Anerkennung von gewerkschaftlichen Rechten reagiert.
C&A ist da keine Ausnahme. Wie bereits erwähnt enthält
der gegenwärtige Verhaltenskodex von C&A keinerlei Bezugnahme
auf gewerkschaftliche Rechte. Das Unternehmen hat vielmehr
eine lange - und durchaus bekannte - Tradition in der Behinderung gewerkschaftlicher Aktivitäten. Im Rahmen einer genaueren Untersuchung über C&A, durchgeführt von SOMO (Centre for
Research on Multinational Corporations) in den späten 80er
Jahren, äußerten sich die interviewten Verkäuferinnen derart,
daß das bloße Wort "Gewerkschaft" ein "Fluch" innerhalb des
Unternehmens sei. Sie erwähnten zudem, daß C&A ganz eindeutig
klarmache, daß gewerkschaftliche Aktivitäten die Karriere behindern würden.(4) In diesem repressiven Klima (und bei den
gleichzeitig gewährten Zulagen, die C&A scheinbar seinen Beschäftigten zahlt) ist der (gewerkschaftliche) Organisationsgrad bei C&A extrem niedrig.
Es stellt sich die Frage, ob C&A in den acht Jahren, in
denen das Unternehmen im Brennpunkt der Clean Clothes Campaign steht, seine Haltung gegenüber gewerkschaftlicher Organisierung geändert hat. Dies ist besonders deshalb von Interesse, da Jaap Bosman, PR-Manager von C&A in den Niederlanden,
verkündet hat, daß das Thema der Gewerkschaftsrechte in allernächster Zeit in den Firmenkodex aufgenommen werden soll. Gewerkschaftsfunktionäre aus Großbritannien und den
Niederlanden, die für die Organisierung von C&A zuständig
sind und die vom Autor im April 1998 interviewt wurden, bestätigen jedoch, daß es nach wie vor extrem schwierig ist,
C&A-Angestellte zu organisieren. Als Gründe gab die niederländischen Gewerkschaftssekretärin an, daß C&A-Angestellte,
die Gewerkschaftsmitglied werden wollen, gleichzeitig darauf
bestehen, daß alle Informationen, die sie über das Unternehmen haben, geheimgehalten werden. Sie wies darauf hin, daß
die Beschäftigten bei C&A es nicht wagen würden, die gewerkschaftlichen Versammlungen zu besuchen, auf denen die zentralen Tarifverhandlungen mit dem Einzelhandel vorbereitet werden. Gleichzeitig würden C&A-Manager nach wie vor den Verkauf
der Gewerkschaftszeitung in den Filialen untersagen.(5)
C&A kontrolliert sich selbst
Nach Darstellung von C&A selbst war die Etablierung von SOCAM
zur überwachung des firmeneigenen Verhaltenskodexes mit einer
ausgefeilten Vorbereitungsphase verbunden (so etwa die Erhebung der notwendigen Datenbasis, Auswahl und Training der SOCAM-MitarbeiterInnen, Training der C&A-Manager und übersetzung des Unternehmenskodexes in alle europäischen Sprachen).(6)
Um die Bedeutung von SOCAM endgültig und vollständig einschätzen zu können, ist zusätzliche unabhängige Untersuchungsarbeit notwendig. Dennoch kann man sich bei der Erhebung von Daten zur Kontrollpraxis von C&A auf eine vorangegangene Erfahrung stützen, nämlich auf eine Untersuchung zur
Textilproduktion in Rumänien, die vor kurzem von SOMO-Forschern durchgeführt wurde. Diese Feldforschung erfaßte u.a.
fünf C&A-Zulieferer. In jedem Fall bestätigten die befragten
Manager die Geschäftsbeziehungen mit C&A. Die SOMO-Untersuchung ließ keinen systematischen Versuch von C&A erkennen,
die Einhaltung des Unternehmenskodexes bei den Zulieferfirmen
zu überwachen. Lediglich zu einer kleineren Produktionsstätte
ist ein Inspektionsteam entsandt worden, das die Arbeitsbedingungen einschließlich der Löhne und sanitären Einrichtungen überprüfte. überall sonst verzichteten C&A-Inspektoren
darauf, die Löhne oder Umwelt- und Sozialstandards zu prüfen.
Es ergaben sich keinerlei Hinweise darauf, daß C&A seinen
Verhaltenskodex an die Zulieferer überhaupt verteilt hätte.
Und erst recht verzichteten die Unternehmensinspektoren
darauf, die betroffenen ArbeiterInnen zu befragen. Die Untersuchung aus Rumänien führt in der Tat zu erheblichen Zweifeln
an den überprüfungsmethoden von C&A. Die Frage ist berechtigt, ob C&A SOCAM mit wirklichen überprüfungsabsichten ins
Leben gerufen hat. Das bisher von unabhängigen Forschern zusammengetragene Material deutet darauf hin, daß SOCAM die Arbeitsbedingungen nicht effektiv überprüft. Die Vermutung
liegt nahe, daß SOCAM eher Teil einer bewußt geplanten PR-Strategie ist.(7)
Kinderarbeit für europäische Boutiquen
Kinderarbeit in südindischen Zulieferbetrieben für C&A war
ein herausragendes Thema des International Clean Clothes Forum zu C&A am 3. Mai 1998 in Brüssel.
Tirupur, eine Stadt im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu, ist für den Export von Strick- und Strumpfwaren bekannt.
Produktion und Export dieser Textilien sind in den letzten
Jahren explosionsartig gestiegen, parallel mit dem allgemeinen Wachstum von Textilexporten aus Indien. Der Anteil von Exporten aus Tirupur lag 1994 bei 45% der Gesamtexporte von
Strickwaren aus Indien. In einer Periode, in der Konfektionsbekleidung rasch zu Indiens wichtigstem Devisenbringer avancierte (mit einem Anteil von 18% am gesamten indischen Warenexport der Jahre 1994/95), ist Tirupurs Bedeutung als Zentrum
der Exportproduktion entsprechend angewachsen.
Die Expansion der Bekleidungsindustrie in Tirupur wird
hauptsächlich den dortigen Produktionsstrukturen zugeschrieben. Anstelle kombinierter Produktionsabläufe unter einem Dach haben sich hier für jeden einzelnen Produktionsschritt
einzelne Fabrikationsstätten herausgebildet. Das bedeutet,
daß an einem Ort das Garn gesponnen, an einem anderen gebleicht und an einem dritten gefärbt wird. Andere Faktoren, die das Wachstum von Tirupur als Produktionszentrum gefördert
haben, sind die leichte Verfügbarkeit von Garnen aus den umliegenden Städten, das Vorhandensein von Wasser zum Färben,
Bleichen und Bedrucken sowie billige Arbeitskraft.
Eine Untersuchung des Indien-Komitees der Niederlande
(ICN) aus dem Jahre 1996 beschreibt die Arbeitsbedingungen in
Tirupur generell als schlecht. Sie konzentriert sich allerdings im weiteren auf die verbreitete Kinderarbeit. Nach diesem Bericht, der auf dem Besuch von 15 Produktionsstätten und
ausführlichen Interviews von Kinder-ArbeiterInnen beruht, übten Kinder folgende Tätigkeiten aus: Hilfsarbeiten für die Schneider, überprüfen, Glätten und Schneiden des Garns, Endfertigung und Verpacken. Während der Besuche in den Fabrikationsstätten wurden Kinder auch in den Färbe- und Bleichabteilungen angetroffen, mit erheblichen gesundheitlichen Risiken.(8) Die Arbeitszeiten für die Kinder waren extrem lang
und entsprachen denjenigen der erwachsenen ArbeiterInnen. Die
meisten Kinder arbeiteten 12 bis 16 Stunden am Tag, sechs
Tage in der Woche. Während die Einkommen aus der Kinderarbeit
für die Familien einen wichtigen Beitrag zum überleben darstellen, litten alle interviewten Kinder an physischer Erschöpfung und Auszehrung. Schätzungen über die Zahl der Kinder-ArbeiterInnen bewegen sich zwischen 8.000 und 35.000 bei
insgesamt 300.000 ArbeiterInnen.
Kinder arbeiteten auch in Produktionsstätten für C&A, eines derjenigen europäischen Einzelhandelsunternehmen mit
ausgedehnten Geschäftsbeziehungen zu Produzenten und Exporteuren in Tirupur. C&A ist dort über die eigene Tochterfirma
Mondial tätig, die für C&A's Einkaufsorganisation EBSCO arbeitet. Nach Angaben von Mondial-Offiziellen steht die Firma
in Geschäftsbeziehungen mit 1.200 von 3.000 Betrieben der
Textilindustrie von Tirupur. Damit ist C&A zweifellos der
wichtigste Aufkäufer von Strickwaren aus Tirupur.
1997 trat die indische Nicht-Regierungsorganisation SAVE
an die Strickwarenindustrie in Tirupur heran, um Maßnahmen
zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Bekämpfung
der Kinderarbeit zu diskutieren. Ein Memorandum wurde verabschiedet, daß u.a. die Beendigung der Kinderarbeit zum Ziel
hatte und die Betreuung und Rehabilitation der Kinder unterstützen sollte. Das Memorandum umfaßte auch einige Vorschläge
für eine unabhängige Kontrollarbeit. Im Grundsatz entsprachen
die Vorschläge durchaus dem Unternehmenskodex von C&A, in dem
Kinderarbeit als "völlig unakzeptabel" bezeichnet wird. Dennoch stieg Mondial schließlich aus den Verhandlungen aus und
weigerte sich, strukturelle Maßnahmen gegen die Kinderarbeit
durchzuführen. Ebensowenig reagierte das Unternehmen auf die
Anfragen von SAVE nach Informationen über eigene Maßnahmen
zur Erfüllung des C&A-Kodexes.
Der Textilarbeiterstreik in Simbabwe
Die Rolle von Unternehmen wie C&A bei der Wahrung von ArbeiterInnenrechten wurde auf dem International Clean Clothes Forum am Beispiel des Textilarbeiterstreiks in Simbabwe vom
Juli 1997 erläutert. Die Bedeutung von Textilien aus Simbabwe
für den europäischen Markt ist in den letzten Jahren gestiegen, auch wenn bisher insgesamt nur ein kleiner Teil der Textil- und Bekleidungsproduktion des Landes exportiert wird
(1994 10%). Nach mehreren Krisen, die die Branche in der ersten Hälfte der 90er Jahre erschütterte, ist der Textil- und
Bekleidungssektor umstrukturiert worden. Die Produktion wurde
von Großfabriken in flexiblere mittlere und kleine Unternehmen verlagert. 1996 umfaßte der Textil- und Bekleidungssektor
in Simbabwe 274 registrierte Unternehmen; davon waren 255 Bekleidungshersteller, die meisten (98%) in der Hand (weißer)
Simbabwer.(9)
Der zentrale Punkt der Fallstudie aus Simbabwe ist der
Arbeitskampf in der Bekleidungsindustrie aus dem letzten
Jahr. Das Scheitern der jährlichen Verhandlungen über den
Mindestlohn hatte zu einem zehntägigen Streik und zu massiven
Entlassungen geführt. Im April 1997 hatten die Gewerkschaften
Verhandlungen über eine 69%ige Lohnerhöhung begonnen, die angesichts der dramatischen Inflationsrate in Simbabwe als notwendig angesehen wurde. Sowohl die Regierung als auch der Unternehmerverband reagierten heftig auf den Streik. Als die
Verhandlungen ins Stocken gerieten, versuchten Gewerkschaften
und ArbeiterInnen den Konflikt durch einen Vermittler beizulegen, der eine Lohnerhöhung von 25% vorschlug. Das Ministerium für industrielle Beziehungen jedoch ignorierte den Vermittlungsprozeß und gab statt dessen folgende Verfügung heraus: Bis zum 14. Juli sollten alle ArbeiterInnen die Arbeit
wieder aufgenommen haben. Andernfalls stünde es den Unternehmern frei, ArbeiterInnen zu entlassen. Der Verband der Bekleidungsproduzenten nutzte diese Verfügung sofort aus und
entließ alle 13.000 ArbeiterInnen. 11.000 wurden anschließend
auf der Basis von Tagelöhnerkontrakten wieder eingestellt,
d.h. zu erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen. So
können ArbeiterInnen unter diesen neuen Vertragsbedingungen
sehr viel leichter gefeuert werden. Viele der im Juli letzten
Jahres entlassenen ArbeiterInnen waren Mitglieder gewählter
ArbeiterInnenkomitees und GewerkschaftsaktivistInnen, so auch
alle 2.000, die nicht wieder eingestellt wurden. Mit ihrer
Entlassung haben die Unternehmer die Gewerkschaften aus den
Betrieben ausgeschlossen und den ArbeiterInnen gleichzeitig
ihr Recht auf Organisierung genommen.
In den Konflikt in Simbabwe waren drei Parteien direkt
verwickelt: Die ArbeiterInnen und ihre Gewerkschaften, die
Textilunternehmer und die Regierung. Auch wenn die Frage nach
der Verantwortung von Unternehmen, die in Simbabwe einkaufen,
nicht aufgeworfen wurde: Die Themen, um die es in dem Konflikt ging - vor allem die Frage nach existenzsichernden Löhnen und nach der Organisationsfreiheit der ArbeiterInnen -
sind zentrale Punkte bei den Debatten zwischen der Clean
Clothes Campain und den Einzelhandelsketten in Europa. Die
Beziehungen zwischen C&A und Textilproduzenten in Simbabwe
wurden durch eine SOMO-Untersuchung aus dem Jahre 1997 deutlich. Von elf untersuchten Firmen waren drei C&A-Zulieferer.(10) Demselben Bericht zufolge gibt es Hinweise darauf, daß
C&A in der Tat Inspektoren geschickt hat, um einige Aspekte
der Arbeitsbedingungen in diesen Firmen zu überprüfen (so
etwa Toiletten, Notausgänge und Kinderarbeit). Die Wirksamkeit dieser Inspektionen bleibt jedoch unklar. Auf jeden Fall
haben sich diese Inspektionen nicht auf die Themen des letztjährigen Arbeitskampfes bezogen: Der Verhaltenskodex von C&A
spart Aussagen über existenzsichernde Löhne genauso aus wie
das Recht von ArbeiterInnen, sich in unabhängigen Gewerkschaften frei zu organisieren. Die schwammigen und unvollständigen Klauseln des C&A-Kodexes sind somit nicht geeignet,
das Unternehmen dazu zu zwingen, in einem Arbeitskampf wie
dem in Simbabwe zu intervenieren. Der Konflikt demonstriert
somit die Aussage, daß der gegenwärtige Verhaltenskodex von
C&A elementare Rechte der ArbeiterInnen in den Zulieferbetrieben nicht sichert.
Der Autor ist Mitbegründer der Clean Clothes Campaign.
Anmerkungen:
(1) Corporate Intelligence on Retailing, London 1997, S.406
(2) Chris Williams: "The Auditing of C&A's Code of Conduct
For the Supply of Merchandise", LATC London Conference,
21.10.1997
(3) ebda
(4) Marijke Smit/Lorette Jongejans: "C&A, The Silent Giant.
From Clothing Multinational to Homeworker", SOMO, Amsterdam
1989, S.109
(5) Karen Heynsdijk, Sekretärin für den Bereich Einzelhandel
des Dachverbandes der niederländischen Gewerkschaften, 22.
April 1998
(6) Chris Williams, a.a.O.
(7) Der Fall Nestlé kann hier als Warnung dienen. Als Reaktion auf die internationale Kampagne gegen die Muttermilchsubstitute des Konzerns lancierte die PR-Abteilung des Nahrungsmittelmultis ein "unabhängiges" Untersuchungsgremium, das die
Firmenpolitik "überwachen" sollte.
(8) Martine Kruijtbosch: "Child and Adult Labour in the Export-Oriented Garment and Gem Polishing Industry of India",
India Committee of the Netherlands, Utrecht, November 1996
(9) Pit Gooskens/Esther de Haan: "Profiles of Garment Exporting Companies in Kenya, Madagascar, Mauritius and Zimbabwe",
SOMO, Amsterdam, August 1997
(10) Bei den Firmen handelt es sich um Cinderella Manufactu-
ring (Produzent für Mädchenbekleidung für C&A-Deutschland),
Winfields Barlana und African Threads.
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